aus Kästchendenken und Tonnenideologie
Demgegenüber erweist sich unser System der Sozialen Arbeit in neun Zehnteln seiner Bestandteile als eine Technologie des industriellen Stein- zeitalters. Unterdessen ist sie aber zu einem Industriezweig geworden, der hunderttausenden ein Aus-, d. h. Einkommen gibt; aus öffentlichen Mitteln. Da geht es nicht länger an, daß sie gedanklich bei ihren Nachbarfächern zur Untermiete wohnt. Die Zeit für eine kohärente Selbstrefle- xion ist überreif. Statt auf Pump weiter zu wursteln, schuldet sie der Öffentlichkeit eine umfassende Ortsbestimmung im gesellschaftlichen Ge- füge.
Demgegenüber erweist sich unser System der Sozialen Arbeit in neun Zehnteln seiner Bestandteile als eine Technologie des industriellen Stein- zeitalters. Unterdessen ist sie aber zu einem Industriezweig geworden, der hunderttausenden ein Aus-, d. h. Einkommen gibt; aus öffentlichen Mitteln. Da geht es nicht länger an, daß sie gedanklich bei ihren Nachbarfächern zur Untermiete wohnt. Die Zeit für eine kohärente Selbstrefle- xion ist überreif. Statt auf Pump weiter zu wursteln, schuldet sie der Öffentlichkeit eine umfassende Ortsbestimmung im gesellschaftlichen Ge- füge.
In der Moderne verlieren die überlieferten, gemeinschaftsförmigen Sozialisations-Strukturen ihre Bedeutung an kommerzielle und öffentliche Vermittlungs-Agenturen. Sozialarbeit wird zu einem Mitbewerber in der großen Dienstleistungsbranche der Berater. Als Anbieter auf dem Markt wird sie zu einem Organ der zivilen Gesellschaft.
Der
Widerspruch zwischen ihrem privaten, beratenden Auftrag und ihrer
institutionellen Verfaßtheit im Öffentlichen Dienst tritt erst jetzt
ganz zutage. Wie der hoheitliche Charakter der behördlichen Sozialarbeit
ihre helfende Absicht immer wieder dementiert – und umgekehrt –, und so
weder der eine noch die andre wirklich zum Tragen kommt, ist längst
dargestellt worden.[4]
Fataler in ihren praktischen Konsequenzen ist die institutionelle
Bindung der Sozialarbeit in hierarchische Verwaltungsapparate womöglich,
indem sie ein nie versiegender Quell für Kästchenden- ken,
Definitionsdünkel und spezialistische Machbarkeitsträume ist. Helfende
Beratung ist, wenn sie zustande kommt, personale Begegnung; als solche
ist sie unwiederholbar und läßt sich schlechterdings nicht zu
‘Vorgängen’ objektivieren. Objektivieren aber muß die staatliche Hoheit,
so wahr sie die Allgemeinheit vertritt. Die Sozialarbeit vertritt immer
die Einzelnen. Sie ist nicht politisch, sondern zivil.
An ihre durchgängige Umordnung zur allgemeinen Dienstleistung, zu einer öffentlichen Ressource bei der privaten Lebensbewältigung, ist nicht zu denken, solange sie nicht aus ihrer organischen Verstrickung in die öffentliche Verwaltung befreit ist. Den Weg dahin haben wir gezeigt:[5] die Überführung der gesamten ‘klinischen’ Sozialarbeit aus den Verwaltungen heraus in privatrechtliche Trägerschaft – Vereine oder Gesellschaften –, die von den Gebietskörperschaften selber zu gründen wären; und deren öffentliche Verfassung in obligatorischen Berufskammern – damit die Behörde nicht Sozialarbeiter, und die Sozialarbeit nicht Behörde spielen muß.
[4] siehe “Befreit die Sozialarbeit – ein Vorschlag zur Umordnung der Jugendhilfe” in Sozial Extra 2/91
[5] siehe
ebd. – Die Kammer schafft öffentliche Kontrolle, zugleich qualifiziert
sie sie fachlich: Das ist neu und kann nicht schaden. Die Vergabe von
Steuergeldern ist aber ein hoheitlicher Akt, und Sache der Behörde. Die
Kammer kann ihr, wennschon keine objek- tiven, doch immerhin fachliche
Vergabekriterien an die Hand reichen. Denn heute gilt dort doch
immernoch: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst, und: Wer hat, dem wird
gegeben…
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