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Radikale Mitte - so hieß die "Spaßpartei" - damals kam das Wort auf -, die 1950 von dem Kabarettisten Werner Finck
ins Leben gerufen wurde und damals einigen publizitären Erfolg hatte.
Die Bundesrepublik hatte noch mit der KPD auf der einen und der SRP auf der andern Seite zwei extreme Flügelparteien, und es war nicht auszuschließen, dass die sich dort festsetzen würden.
An sich klang die Formulierung Radikale Mitte paradox. Radikal, das war der äußerste linke Flügel - die Weltrevolution - und der äußerste rechte Flügel: die je nationale Konterrevolution. Mitte, das
war, was als Nullpunkt zwischen den beiden Kräften resultierte: nicht
zu viel hiervon, nicht zuviel davon, sondern 'grade richtig'; juste milieu. Mitte
war die Resultante von tausend Kompromissen, gibst du mir dies, geb ich
dir das, das ging nicht vorwärts, ging nicht rückwärts, sondern
schleppte sich hin, und wenn dann ein Donnerwetter dreinfuhr, kamen sie
aus dem Mustopp.
Das
war im vorigen Jahrtausend. Von der Weltrevolution ist seit 1990 keine
Rede mehr. Für nationale Konterrevolutionen besteht folglich weltweit
kein Bedarf. Das Ende der Geschichte ward ausgerufen, aber dann ging sie doch weiter. Sie heißt jetzt Globalisierung. *
Radikal
war, was an die Wurzel ging; Revolution und Konterrevolution; entweder
oder. Entweder oder gibt's nicht mehr. Es gibt nur noch Globalisierung
und Digitalisierung , aber das ist dasselbe.
Strittig sind sie nicht, sondern nur, was man draus macht. Radikal ist,
wer die Sache zuende denkt und draus macht, was der gesunde
Menschenverstand - Vernunft muss gar nicht beschworen werden - rät.
Was digitalisiert werden kann, werden die intelligenten Maschinen übernehmen. Für uns Menschen bleibt an Arbeit nur übrig, was - sei es - lebendige Einbildungskraft, - sei es -
menschliche Einfühlung verlangt. Mit andern Worten, die ausführenden
und namentlich die verwaltenden Tätigkeiten hätten wir uns endlich vom
Halse programmiert. Da aber nicht weniger, sondern mehr produziert
werden dürfte, müsste die Verteilung anders geregelt werden als durch
den jeweiligen Anteil der Individuen an der produktiven Arbeit: Denn die
meisten hätten keinen mehr.
An einem garantierten Grundeinkommen
wird auf die ganz lange Sicht nichts vorbeiführen. Heute erscheint das
Problem der Finanzierung als unüberwindliche Hürde. Aber die faux frais durch ausufernde Verwaltungsarbeit, die sachlich immer hinderlicher wird, wachsen weiter: Maschinen können das besser. Es kommt der Tag, da wird das garantierte Grundeinkommen ein Gebot der Sparsamkeit sein.
*
Hier schließt sich der Kreis. Das ist in einem Land
nicht möglich: In das Land, das damit anfinge, würden sich die
Migrationsströme der ganzen Welt ergießen. Das ist nur gangbar als ein
weltweit geplanter und, so Gott will, abgestimmter Prozess.
Und doch muss
irgendwo angefangen werden. Die Frage, ob das überhaupt möglich ist,
stellt sich schon gar nicht mehr. Es ist notwendig, und da wird die
Notwendigkeit den Möglichkeiten schon auf die Sprünge helfen.
Langer
Rede kurzer Sinn (Sie ahnen es längst): Europa ist die Weltgegend, die
mit der überkommenen kapitalistischen Wirtschaftsordnung, die den
Weltmarkt geschaffen hat und mit der digitalen Revolution die
Globalisierung vorantreibt, die längste und man darf wohl sagen:
sattsamste Erfahrung gemacht hat. Es kommt ihr zu, auch den Weg heraus zu weisen. Und die Gegend, wo Europa am europäischsten, nämlich am zwiespältigsten ist, ist die unsere. Deutschland in Europa und Europa in der Welt - das ist die Perspektive der radikalen Mitte.
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